Long COVID-Forschung: Neue Studien zeigen Veränderungen im Gehirn
Mediziner*innen vom Universitätsklinikum Freiburg fanden in den Gehirnen von 15 Personen mit zuvor gut überstandener SARS-CoV-2-Infektion eine „Immunnarbe“ – einen Anzeiger dafür, dass das angeborene Immunsystem auch nach der akuten Infektion aktiviert geblieben ist. In einer Studie aus Frankreich konnte bei Menschen mit anhaltenden Long COVID-Symptomen dauerhafte Defizite im Gehirnstoffwechsel nachgewiesen werden. In einer weiteren Studie hat ein US-amerikanisches Forschungsteam aus Chicago eine Mutation im SARS-CoV-2-Virus entdeckt, die möglicherweise eine Rolle bei der Infektion des Gehirns spielen könnte.
Freiburg: „Immunnarbe“ im Gehirn
Die Freiburger Forschenden entdeckten in den Gehirnen von 15 Verstorbenen, die Monate vor ihrem Tod eine SARS-CoV-2 durchmachten, jedoch an keinerlei Spätfolgen litten, zahlreiche sogenannte „Mikroglia-Knötchen“. Dabei handelt es sich um Ansammlungen verästelter Abwehrzellen des Gehirns. In Vergleichsproben von Menschen, die nie an COVID-19 erkrankten, wurden diese Mikroglia-Knötchen nicht gefunden. Marius Schwabenland vom Universitätsklinikum Freiburg erklärte dazu: „Es ist gut möglich, dass die anhaltende Aktivierung des angeborenen Immunsystems im Gehirn zu den langfristigen neurologischen Beschwerden nach einer SARS-CoV-2-Infektion beiträgt.“ Nach Ansicht des Teams könnten die Mikroglia-Knötchen eine Rolle bei den neurologischen Veränderungen von Long COVID-Patient*innen spielen.
Zur Studie: https://link.springer.com/article/10.1007/s00401-024-02770-6
Frankreich: verminderter Hirnstoffwechsel
In der von Mai 2020 bis Oktober 2022 in Marseille durchgeführten Studie untersuchten Forschende die Hirnaktivität von 56 Patient*innen mit langanhaltenden Symptomen nach einer COVID-19-Infektion mittels FDG-PET-Untersuchungen (Fluorodesoxyglucose-Positronen-Emissions-Tomographie). Dabei stellten sie – im Vergleich zu 51 gesunden Proband*innen – eine verminderte Stoffwechselaktivität im limbischen System, in der Brücke sowie im Kleinhirn fest.
Zur Studie: https://link.springer.com/article/10.1007/s00259-024-06775-x#Abs1
Chicago: Mutationen des Spike-Proteins
Die Entdeckung von Mutationen im Spike-Protein – der äußeren Hülle des SARS-CoV-2-Virus – könnte dazu beitragen, die neurologischen Symptome von COVID-19-Patienten besser zu verstehen und sich den Ursachen von Long COVID weiter zu nähern. Das Wissenschaftsteam aus Chicago verglich in seiner Studie mit infizierten Mäusen die Genome von SARS-CoV-2-Viren im Zentralnervensystem (ZNS) mit denen in der Lunge. Dabei stellten sie fest, dass die Mutationsrate im ZNS höher war, während sich die Viren in der Lunge kaum veränderten. Die Forschenden folgern daraus, dass die Viren möglicherweise erst durch Mutationen an einer relevanten Spaltstelle des Spike-Proteins dazu in der Lage sind, auch ins Gehirn zu gelangen.
Laut Co-Autor Judd Hultquist sei noch nicht bekannt, ob Long COVID durch eine direkte Infektion von Zellen im Gehirn oder durch eine nachteilige Immunreaktion verursacht wird. „Wenn es durch eine Infektion von Zellen im zentralen Nervensystem verursacht wird, deutet unsere Studie darauf hin, dass es möglicherweise spezifische Behandlungen gibt, die das Virus aus diesem Bereich besser entfernen als andere.“ Hierzu seien weitere Forschungsstudien notwendig.
Zur Studie: https://www.nature.com/articles/s41564-024-01786-8
Mehr unter https://news.feinberg.northwestern.edu/2024/09/09/spike-mutations-help-sars-cov-2-infect-the-brain/
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