Könnte Thromboinflammation eine Rolle bei der Entstehung von Long COVID spielen?
Auf der Suche nach den Ursachen von Long COVID untersuchten die Mediziner Leo Nicolai, Rainer Kaiser und Konstantin Stark vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung in München das Zusammenspiel von überschießender Immunreaktion und gestörtem Gerinnungssystem, welches als Thromboinflammation bezeichnet wird.
Trotz der geringen Datenlage stellten die Wissenschaftler fest, dass bei einigen Long COVID-Patient*innen neutrophile Granulozyten, also spezialisierte Immunzellen, stärker aktiviert sind. Dies trifft ebenfalls auf Thrombozyten (Blutplättchen) zu, welche bei der Blutgerinnung sowie bei Immunprozessen eine zentrale Rolle spielen. Beides verstärkt sich gegenseitig und kann zu einer erhöhten Thromboinflammation führen.
Die Folge ist ein erhöhtes Risiko für Thrombosen, welche im schlimmsten Fall zu Schlaganfall, Herzinfarkt oder Lungenembolien führen können. Ob eine Gefahr für Thrombosen in kleinsten (mikrovaskulären) Kapillaren besteht, lässt sich mit einem Marker (einem Abbauprodukt von Fibrin) im Blut nachweisen. Bei 20 Prozent der Patient*innen bleibt dieses Abbauprodukt auch nach Abklingen von COVID-19 erhöht. Aber auch das Risiko für Thrombosen in großen Gefäßen steigt an – für venöse Thrombosen um das 1,8-fache und für arterielle Thrombosen um das 1,3-fache.
Zur Entstehung von Thromboinflammation bei Long COVID arbeiten die Forscher aktuell mit drei Hypothesen: Erstens kann es bei der akuten COVID-19-Infektion zu einer Schädigung des Gefäßsystems kommen, die sich nicht vollständig zurückbildet. Zweitens weist identifiziertes SARS-CoV-2-Erbgut in Organen einiger Patienten darauf hin, dass das Virus im Körper verblieben ist und dort wiederholt Reaktionen auslöst, welche auch Thromboinflammation fördern können. Drittens könnte eine SARS-CoV-2-Infektion eine fehlregulierte Immunantwort auslösen, die sich nicht mehr zurückbildet und den Körper schädigt.
Zusammenfassend folgern die Wissenschaftler, dass Thromboinflammation zumindest bei einer Untergruppe der Patient*innen eine Rolle bei der Entstehung des Long COVID-Syndroms spielen könne. Es besteht jedoch noch Unklarheit über Ursache und Wirkung sowie die Anzahl der betroffenen Patient*innen – und darüber, welche Behandlung eine Heilung fördern könnte. Zur Wirksamkeit von Gerinnungshemmern und antiviralen Medikamenten laufen aktuell bereits große Studien.
Weiterführende Informationen:
https://idw-online.de/de/news815397
https://www.jthjournal.org/article/S1538-7836(23)00400-2/fulltext
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